In: Neue Wege 33, 1939
Ergreifend und bedeutsam, wenn man zunächst noch von der
persönlich-überpersönlichen Würde und Kraft des Briefes absieht, vor allem
dadurch, daß in ihm die ungeheure Tragik der heutigen jüdischen Lage in einer
neuen Beleuchtung zutage tritt, weil dieser Brief uns vor die Erfahrung stellt,
daß dieses vor aller Welt so offen daliegende Geschehen zugleich vor den Augen
und Herzen der Menschen so tief verborgen, so steht von der „Schlange der
Politik“ (mit Gandhis Wort) umschnürt ist, daß es möglich ist, daß ein Gandhi
sie nicht erkennt.
Ein bekannter englischer Schriftsteller, Louis Golding, hat
am Schluß eines kürzlich erschienenen kleinen Buches „The Jewish Problem“
gesagt, die Haltung eines Volkes zu den Juden sei der Prüfstein für seine
Ritterlichkeit. Ganz gewiß gilt dasselbe von der Haltung der Einzelnen. Daß die
Ritterlichkeit im heutigen Völkerleben ausgestorben ist, wissen wir seit
langem. Es gibt ein Land, ein Volk, das davon weithin eine
Ausnahme macht, und diese Ausnahme unter den Völkern fällt mit der ritterlichen
Haltung eines Einzelnen zusammen, Es ist das Indien Gandhis. Wie ist es unter
diesen Umständen möglich, daß Gandhi – in diesem Augenblick dem jüdischen
Problem gegenüber eine Haltung einnimmt, die man bei jedem anderen Menschen als
unritterlich empfinden würde? Wie ist es möglich, daß der Mahatma, der nicht
allein in Wahrheit eine große Seele, sondern der auch eine große leuchtende
Intelligenz ist, derart die wirkliche heutige Lage des jüdischen Volkes
verkennt, daß er sie ohne weiteres mit der Lage der Inder in Südafrika zur Zeit
seines Dortseins vergleichen kann, mit der sie doch nicht in einem Atem zu
nennen ist? Wie ist es möglich, daß der Mahatma von den wirklichen Vorgängen
der deutschen Judenverfolgungen: von der schmachvollen Entrechtung, Verjagung,
Entehrung, Ausplünderung und Ausrottung der Juden, der Schändung ihrer
Heiligtümer, daß er von dieser ganzen grauenvollen Wirklichkeit, die ein
einziger Aufschrei an das Weltgewissen ist, überhaupt keine Vorstellung hat und
daß er sich gerade in diesem unermeßlich verhängnisvollen – und keineswegs
allein für die Juden, sondern für das Lebenkönnen der Menschheit
verhängnisvollen – Augenblick zugunsten der Araber unter die ihm so völlig wesensfremden
Gegner des Judentums einreiht?
Einer der Gründe liegt sicher in der großen räumlichen
Entfernung, die Indien von dem europäischen Geschehen, zu dem ja auch das
heutige palästinensische gehört, trennt. Diese Entfernung könnte freilich heute
durch die Errungenschaften der Technik als überwunden gelten; doch bei der
leidenschaftlichen Abwehr Gandhis gegen alles Technische (dieser Abwehr, die
sich am konsequentesten in der von ihm organisierten Bekämpfung der Maschine
durch das Spinnrad ausdrückt) könnte es sein, daß er sich auch der modernen
technischen Überbrückungsmittel aller räumlichen Entfernungen nicht bediente
und so vielleicht durch die ihm nahen Mohammedaner, die einen so großen Teil
der indischen Bevölkerung ausmachen, zugunsten ihrer arabischen Brüder in
Palästina falsch informiert wäre. – Ganz zweifellos spielt aber bei seiner
Beurteilung der Lage auch die große geistige Ferne mit, aus der der
Mahatma alles außerindische Geschehen sieht. Zweimal bin ich schon vor Jahren
in Schriften Gandhis auf die Grenzen seines Begreifens gegenüber entscheidenden
europäischen Erscheinungen gestoßen. Einmal, als er über Goethes „Faust“
schrieb, daß er ihn wieder und wieder gelesen habe, ohne aber einen Zugang zu
ihm gewinnen zu können. „I could not catch the message in it (ich konnte die
Botschaft darin nicht erfassen)“ schrieb er damals. Das zweite Mal erfuhr ich
seine Grenzen einem genau entgegengesetzten europäischen Gegenstand gegenüber:
in einem Briefwechsel mit seinem indischen Landsmann Manabendranath Roy, der
ihm den Kommunismus nahe zu bringen versuchte. Und zwar zeigten sich diese
Grenzen nicht etwa darin, daß Gandhi den Kommunismus schroff ablehnte – das ist
bei seiner Grundhaltung selbstverständlich –, sondern darin, daß er trotz der
sehr klaren Darlegungen Manabendranath Roys bis zuletzt nicht begriff, was
eigentlich der Kommunismus wollte und inwiefern er eine Antwort auf ganz
bestimmte, konkrete Gegenwartsprobleme suchte – daß er überhaupt den ganzen
gesellschaftlich-historischen Problemkomplex, aus dem der Kommunismus
hervorgegangen ist, nicht begriff.
Doch diese beiden Grenzen: die gegen den vollendeten
europäischen Individualismus wie die gegen den vollendeten europäischen
Kollektivismus, dienten zugleich dazu, Gandhis Eigenstes nur um so deutlicher
herauszuheben; etwas Ergreifendes lag in dieser Fremdheit des Mahatma gegenüber
noch so großen und bedeutsamen Phänomenen, die mit seiner Sendung und Aufgabe
nichts zu tun hatten. Zudem handelte es sich in diesen beiden Fällen um
Erscheinungen, die jenseits von Zustimmung oder Ablehnung des großen Inders ihr
Eigenleben und ihre besondere Geltung im geschichtlichen Leben errungen haben
und sich mit ihren eigensten Waffen zu verteidigen imstande sind. Anders, ganz
anders verhält es sich unter beiden Gesichtspunkten mit dem heutigen jüdischen
Problem. Zunächst erkennen wir in der Haltung zu ihm Gandhi selbst und seine
Größe in keiner Weise wieder. Und, was noch schwerer wiegt: die Juden und mit
ihnen aller Menschheitswerte, die – sei es aktiv, sei es nur passiv – durch die
Juden heute am eindringlichsten repräsentiert werden, werden von dieser
Ablehnung schwer getroffen. Die Juden – Martin Buber spricht es aus – bedürfen Gandhis. Und gewiß: mehr als
sie der Hilfe jeder Großmacht bedürfen, bedürfen sie in diesem Augenblick
schwerster Daseinsbedrohung durch menschenfremde Mächte der Hilfe des
Vertreters reinster Menschlichkeit.
„Der Unglückliche hört nicht zu, wenn rings um ihn die
eitlen Mäuler sein Schicksal beschwatzen; wenn aber, den leeren Lärm durchstoßend,
eine Stimme ihn beim Namen anruft, die er seit langem kennt und verehrt, eine
große, ernste Stimme, horcht er auf“ – gleich dieser Anfangssatz der Buberschen
Antwort bringt die Lage der Juden Gandhi gegenüber in so großer, so packender
Weise zum Ausdruck, daß er den Leser wie an einem starken Faden durch den
ganzen machtvollen Brief mitzieht bis ans Ende, so daß zunächst jeder Einwand
zum Schweigen gebracht wird. Und bevor wir auf irgend einen Einwand eingehen,
müssen wir uns die Lage, aus der heraus dieser Brief entstanden ist, der
gleichsam im Auftrag des ganzen heutigen Palästina geschrieben scheint,
vergegenwärtigen. Martin Buber hat bis vor nicht langer Zeit in Deutschland
gelebt und die ungeheure Not der deutschen Juden, die ihnen an Leben und Werk
widerfahrene Zerstörung im Ganzen und in zahllosen Einzelschicksalen miterlebt.
Er sieht jetzt in Palästina, was die aus ihrer Heimat vertriebenen Juden in
kürzester Zeit an fast unfaßlicher Aufbauarbeit geleistet, welche Fülle von
Fruchtbarkeit sie dem bis dahin unfruchtbaren Boden durch ihre Tätigkeit
abgerungen haben. Er sieht, wie nun diese uralte, eben wieder erworbene Heimat
dem jüdischen Volk von allen Mächten der Erde, einschließlich der Mandatmacht,
wieder streitig gemacht wird. Abermals, nachdem es eben wenigstens zu einem
ganz kleinen Teil karg geborgen schien, erfährt er die erbarmungslose
Grausamkeit der Umwelt gegen sein Volk. In diesem Augenblick trifft ihn die
Stimme Gandhis, diese Stimme, die er verehrt, die ihm teuer ist, auf deren
Bestand im Namen der Menschlichkeit er unbedingt hoffen kann. Sie trifft ihn
mitten ins Herz. Gandhi hat das jüdische Schicksal nicht begriffen, es ist ihm
überhaupt gar nicht bekannt geworden. Er spricht harte, verständnislose Worte.
Es ist selbstverständlich, daß Buber sich vor allem anderen bemüht, Gandhi die
einfache Tatsachenwirklichkeit nahezubringen, daß er ihm von den Martern der
Konzentrationslager, von der Verbrennung der heiligen Räume und ihrer uralten
Heiligtümer, von der totalen Freiheitsberaubung und von der Ermordung
zahlreicher Juden berichtet. Und in allem fast wilden Schmerz um das
Nichtwissen des verehrten Mannes tut er es so schlicht, so maßvoll, daß es
einem fast zu wenig erscheint. – Und nun ist es gewiß nicht ebenso selbstverständlich, aber es ist durchaus
verständlich, daß Buber, der
Antwortende, sich in dieser Erwiderung rein auf den Boden Gandhis stellt: den
der Nation in Gandhis Sinne, und daß
er ihm von hier aus antwortet.
Es gibt dafür mehr als einen Grund: vor allem den der tiefen
Echtheit von Gandhis Nationalismus. Nationalismus bedeutet ja für Gandhi die
Selbstverteidigung Indiens, d.h. Verteidigung seiner uralten religiösen und
kulturellen Güter gegen die gewaltsamen andrängende, unendlich geringere
Zivilisation des heutigen Europa. Und mehr noch: Nationalismus bedeutet für ihn
den waffenlosen Freiheitskampf, an den er glaubt, weil er das höhere Prinzip
mit höheren Mitteln verteidigt. So hat sein Nationalismus nichts mit den
anderen heutigen Nationalismen gemein, die durchweg, auch noch in der düsteren
Form von Blut, Boden und Rasse, bloße Maske über den verzerrten Gesichtern
völlig außernationaler, ja vielfach antinationaler Macht- und Interessenkämpfe
sind, wie es sich uns, wenn wir es noch nicht gewußt hätten, aus den jüngsten
Eroberungen, Kriegen und Siegen mit so furchtbarer Deutlichkeit aufgedrängt
hat. Und wer könnte ohne tiefste Bewegung den Vergleich Bubers zwischen der
großen, alle Inder umfangenden Allmutter Indien und dem schmalen, kleinen
Mütterlein Palästina: dem winzigen Streifen Landes lesen, das den Juden selbst
in diesem Augenblick, wo sie überall vertrieben, in der ganzen Welt heimatlos
sind, nicht als Heimat, als bergende Mutter gegönnt wird? Wer könnte es ferner
nicht begreifen, daß das unendlich leidende, ausgeblutete Volk aus der
ungeheuerlichsten Zerstreuung, die ihm in seiner leidvollen Geschichte
widerfahren ist, nach einem lebendigen irdischen Zentrum sich sehnt, um das es
seine versprengten Kräfte sammeln könnte, um nicht der vollkommensten Verlorenheit
und Verzerrung anheimzufallen?
So ist die nationale Grundhaltung dieses Briefes gewiß aus
mehr als einem Grunde zu verstehen. Und doch: wenn Buber Gandhi in diesem
Zusammenhang entgegenhält, daß das jüdische Volk ein Schicksal hat, „das nach
Wahrheit und Gerechtigkeit keinem Volk der Erde zugemutet werden kann“, dann
bedauern wir es noch, daß er an dieser Stelle rein auf die Anschauung Gandhis
eintritt und sein tiefstes jüdisches Wissen verschweigt. Wir bedauern, daß er
Gandhi das Letzte nicht vorlegt: daß die irdisch gesehen unnatürliche und
unerträgliche Schicksal eben um der Verwirklichung der Wahrheit und
Gerechtigkeit willen von Gott seinem Volke auferlegt ist und daß aus dieser
ungeheuren Sendung ein anderes Verhältnis zum Land, zur Nation als das aller
anderen Völker der Erde entspringt, daß aber aus ihr und dem mit ihr
verbundenen Schicksal auch alle Schädigungen, Abirrungen, Verfehlungen
entspringen, die von je, und wie sehr in den Stürmen des heutigen Geschehens,
dem jüdischen Volke anhaften.
Gewiß: Buber spricht von dem besonderen und einzigartigen
Auftrag zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, der dem jüdischen Volk an
den Anfang seines Weges gestellt ist. Er sagt auch: „Wir haben damals nicht
zustande gebracht, was uns aufgetragen war, wir sind unverrichteter Sache ins
Exil gegangen; aber das Gebot ist bei uns geblieben, und es ist drängender
geworden als je.“ Und eben aus diesem Auftrag leitet er den Anspruch seines
Volkes auf Palästina ab: den Anspruch, neben den Arabern, mit ihnen zu arbeiten,
gemeinsam mit ihnen dem Lande, der Erde zu dienen. Und er geht noch weiter: er
spricht Gandhi, der offenbar das jüdische Volk als das ganz allgemein und naiv
an seinen Gott glaubende Volk auffaßt, von der schweren Glaubenskrise, die die
Judenheit heute mit aller Welt, und schwerer als alle Welt, durchmacht. Er
spricht die Überzeugung aus, daß die Glaubenskrise der heutigen Menschheit sich
in der der Judenheit konzentriert, weil sie „hier noch schwerer, noch
gefährlicher, noch entscheidungsvoller als irgendwo in der Welt“ ist. Und es
ist gewiß, daß diese gefahrvolle Krise nur hier, nur auf dem Boden Palästinas,
überwunden – und daß sie damit vielleicht nicht bloß in der Judenheit, sondern
für die Menschheit überwunden werden könnte – nur hier, weil sie nicht aus dem
Leben von isolierten und preisgegebenen Einzelnen, sondern nur aus dem Leben
der Gemeinschaft überwunden werden kann. „Ist doch an dieses Land noch Höheres
als das Leben unseres Volkes, nämlich sein Werk, und das heißt: der göttliche
Auftrag an es, gebunden.“ Mit diesen Worten beweist er Gandhi auf
unmittelbarere Art als in der darauffolgenden geschichtlichen
Auseinandersetzung die Wahrheit und Gültigkeit des Wortes: „Mein ist das Land,
spricht der Herr.“
So ist das Mysterium der Stellvertretung der Menschheit
durch das jüdische Volk wohl in mehrfacher Weise verhüllt angedeutet; aber
ausgesprochen und aus seiner Wurzel im Alten Testament klar entwickelt ist es
nirgends. Gewiß war es Buber darum zu tun, diese Auseinandersetzung, in der so viel
an Konkretem, dem Mahatma Unbekanntem, darzulegen war, nicht im Prinzipiellem
allzuschwer zu belasten. Und doch erhebt sich der Wunsch, daß in diesem von so
berufener Hand vor den Augen der Welt geschriebenen Brief der
Gleichnischarakter, das Repräsentative, Menschheitliche, das gerade heute mit
so besonderer Wucht im jüdischen Schicksal als ein Anzeigendes,
Sturmvogelhaftes hervortritt, deutlicher ausgesprochen worden wäre: daß es klar
geworden wäre, daß der jüdische Mensch gewissermaßen zweimal, einmal als Mensch
und einmal als Jude, das Menschenschicksal trägt: heimatlos und flüchtig zu
sein auf Erden, daß er so der Menschheit ihr eigenstes Schicksal wie in einem
ungeheuren Zeichen vorlebt. Denn so erhält das „Mein ist das Land, spricht der
Herr“, für das jüdische Volk noch eine andere und tiefere Bedeutung als für die
anderen Völker, so wird es selbst zum Schicksalswort des jüdischen Volkes, in
dem Zion in überirdischem Licht über Palästina aufstrahlt.
Und so: von der Wahrheit des Alten Testamentes aus hätte
sich auch noch eine tiefere Begründung dafür ergeben, warum das „Satyagraha“,
das Gandhi auch von den deutschen Juden verlangt, ihnen, trotz der Seelengröße
so vieler Einzelner den ungeheuerlichsten Leiden gegenüber als Forderung nicht
auferlegt werden kann. Buber begründet es damit, daß dies Verhalten im heutigen
Deutschland keine Umwelt finden würde, von der es ausgenommen werden, auf die
es wirken könnte. Das ist gewiß wahr. Aber der tiefere Grund, warum es für die
Juden selbst kein angemessenes Verhalten sein kann, ist doch der, das das
Satyagraha eine spezifisch indische Haltung ist, die ihre Wurzeln in der
indischen, tief von der jüdisch-christlichen verschiedenen Weltanschauung hat.
Das Satyagraha, die Gewaltlosigkeit, indischer Prägung, ist die tiefe Geduld,
die ihre letzte Wurzel hat in der Einsicht in die Nichtigkeit alles
Erscheinenden, d.h. alles dessen, was uns als Wirklichkeit umgibt. „Kämpfet
unermüdlich, schwinden muß alle Erscheinung“, ist das letzte Wort Buddhas vor
seinem Tod. Was von dem jüdischen Menschen gefordert ist, ist das genau
Entgegengesetzte: ein mächtiges Bekenntnis zur Wirklichkeit; denn allein das
Wirkliche zählt im Reiche Gottes, dessen Verwirklichung die Grundforderung des
Alten Testamentes ist.
Und hier scheint mir nun das Neue Testament so ganz auf dem
Boden des Alten zu stehen und nur seine Fortführung zu sein, daß sich die
Entscheidung Bubers gegen die extremste Forderung Christi nicht für eine
allgemein jüdische halten kann. Die Forderung der Bergpredigt, dem Bösen nicht
zu widerstehen, dem, der den Schlag auf die rechte Backe gibt, auch die linke
hinzuhalten, scheint mir nur die ins Persönliche und damit Äußerste
fortgesetzte, tief paradoxe Forderung der gesamten Prophetie zu sein. Nicht
Gewaltlosigkeit im Sinne der Satyagraha, sondern der mächtigste Aufruf zum
Herbeiführen des Durchbruchs einer neuen, der göttlichen Weltordnung: nicht
also zum abwartenden Stillhalten, sondern zum lebendigen tätigen Kampf für das
Reich Gottes. Dem „Mein ist das Land, spricht der Herr“ des Alten Testamentes
tritt als Voraussetzung des Christus-Wortes das „Mein ist die Rache, ich will
vergelten, spricht der Herr“ gegenüber. Der Zusammenhang zwischen den beiden
Worten ist klar. Wie der menschliche Besitz des Landes das Land durch Eigennutz
und Interesse trüben und verunreinigen würde, so trübt die in Zorn und
Verblendung geübte menschliche Rache das klare, allein wahre Gericht Gottes. –
Man kann dem großen Bekenntnis,
das dieser Brief ist, nicht nahen, ohne sich zu bekennen. Man kann ihm aber
ebensowenig nahen ohne das Gefühl tiefsten, ehrfürchtigsten Dankes dafür, daß
Martin Buber diese kraftvolle Auseinandersetzung mit Gandhi vor den Augen der
Welt auf sich genommen und vor dem großen Inder, der sicher und unter allen
Umständen bereit ist, die Stimme der Wahrheit zu vernehmen, die unendliche
Schwere der jüdischen Gegenwartslage aufgedeckt hat.