Die Botschaft vom Reiche Gottes
In: Neue
Wege 36, 1942
Jedes
Kämpfen, Arbeiten, Leiden für das Reich dient von selbst auch der Überwindung
des Todes. Leonhard Ragaz
Wenn in einer Zeit, in der durch
die Gewöhnung an das Unerträgliche die Herzen der Menschen erkalten, in der
durch das Übermaß des Geschehens die Grenzen des Menschlichen sich verzerren
und aus dem Entsetzen über den entgleitenden Umriß der Schrei aufsteigt: Was
ist der Mensch? – wenn in solcher Stunde aus einem fest und warm gebliebenen
Herzen, einem Herzen, das Fels und Flamme zugleich ist, eine Antwort auf diese
verzweifelte Frage kommt, so ist der Wert dieses Geschenkes an die Menschen gar
nicht abzumessen. Und er wächst noch, er wird zur Überwältigung dadurch, daß
inmitten des rasenden Totentanzes unserer Zeit diese Antwort vom Anfang bis zum
Ende ein leidenschaftlicher Kampf gegen den Tod und die Todesmächte, ein
glühendes, schrankenloses Bekenntnis zum Leben ist.
In siebenundzwanzig Gesprächen
legt Leonhard Ragaz uns in seinem neuen Buche den Sinn der Botschaft vom Reiche
Gottes vor. Abermals liegt dies reiche, schenkende Leben vor uns ausgebreitet
wie ein reifes Kornfeld im vollen Glanz der Abendsonne. Aber es ruht auf dieser
Ernte nicht nur der Glanz des späten Tages, sondern auch das volle Licht der
Morgenfrühe, es wogt in ihr nicht nur die goldene Fülle der Reife, sondern auch
die ganze Ursprungskraft der Jugend. In diesem vom Ewigkeitsglanz des Reiches
angestrahlten Leben rücken Frühzeit und Spätzeit, die Frische der Blüte und der
Segen der Frucht in eine Gestalt zusammen. Schon allein daß dies große,
überreiche Werk in unfaßlich kurzer Zeit entstanden ist, ist ebenso sehr ein
Zeugnis voller jugendlicher Kraft wie einer vollendeten Präsenz aller geistigen
Gehalte, wie sie nur in der Spätzeit des Lebens möglich ist.
Auch schon durch seine äußere
Form hat das Buch den Doppelcharakter lebendigsten, unmittelbar aus der Tiefe
hervor strömenden Lebens und ruhiger, dem Lebensstrom enthobener Gewißheit. Was
im letzten Buch Andacht: Erhebung des Meisters vor der Gemeinschaft und für die
Gemeinschaft war, das ist in diesem Buch Gespräch: lebendige Auseinandersetzung
des Meisters mit dem Jünger geworden. Die Form des Gesprächs ist für dies Buch,
das sich im Untertitel einen Katechismus für Erwachsene nennt und das in der
Tat eine dialogische Unterweisung großen Stils ist, in doppeltem Sinne
bedeutsam. Einmal ist jede Frage des Jüngers Sporn und Stachel zu immer
tieferer Erschließung, so daß Frage und Zweifel die in sich geschlossene Welt
des Meisters immer wieder aufrühren, daß damit das Ganze des Gesprächs in den
Fluß lebendigster Bewegung gerät und in Satz und Gegensatz, in Frage und
Antwort, in Dialog und Dialektik sich die Form der Bewegung des Kommens des
Reiches selbst abzeichnet, das überall Leben und Kampf ist, sich immer im Kampf
mit den Gegenmächten vollzieht. Zum anderen sich aber auch die Fragen, die der
Jünger stellt, durchweg unsere
Fragen, die Fragen unserer Zeit selbst. In Frage und Antwort enthüllt sich so
durch alle Gegenstandsgebiete hindurch in der Botschaft vom Reiche Gottes das
tiefste Anliegen des Menschen unserer Zeit.
Der Kampf als Form und Inhalt
kommt diesem eminent kämpferischen Bekenntnis aus seinem Gegenstand selbst: der
Auslegung des Evangeliums als der Botschaft vom Reiche Gottes. Denn damit
handelt es von der allein radikalen, an die Wurzeln alles Seins gehenden
Revolution, die von der Wirklichkeit und Wahrheit des Reiches her über die Welt
und alle ihre Dinge kommt und die in diesem Buch ihre ganze lösende und
erlösende Kraft entfaltet. Zunächst bedarf es schon, um die Wahrheit des
Reiches in dem, was sie ist und was sie fordert, in ihrer vollen Macht und
Klarheit hervortreten zu lassen, eines Kampfes, der zugleich eine gewaltige
Umwälzung alles Bisherigen ist. Denn dazu muß sie von aller
Scheinverwirklichung streng gesondert und gewaltsam losgetrennt werden. Das
bedeutet einen grundstürzenden Kampf gegen die
Macht, die dem Reich nach Art und Namen am nächsten steht und die ihm doch dem
Wesen nach am fernsten ist und hoffnungslos von ihm hinwegführt: die Religion. Die Leidenschaft, mit der
dieser Kampf, der sich zuletzt zu der Losung: Gott gegen Gott! steigert, als
Kampf des Lebendigen gegen das Tote, hier geführt wird, ruht auf der tiefen
Gewißheit, daß er der zentrale Kampf auch der Bibel, vor allem der Propheten
und Christi, ist. Denn unter Religion ist hier im Gegensatz zum üblichen
Sprachgebrauch, mit tiefer gedanklicher und geschichtlicher Begründung, gerade
das verstanden, was nicht Gott und Gottes ist, was vielmehr im Lauf der
Geschichte die Menschen aus Gott gemacht, was sie an leeren, toten
Ersatzbildern, an erstarrten Formen, Formeln und Dogmen an die Stelle des
lebendigen Gottes gesetzt, als Gott ausgegeben und womit sie das umgangen
haben, worauf allein es vor dem Gott der biblischen Verkündung ankommt: die
Verwirklichung des Reiches und seiner Gerechtigkeit für die Erde.
In diesem Sinne wird überall in
der Geschichte und im Einzelleben die Religion als die Todfeindin der
lebendigen Wahrheit entlarvt, als die größte, gefährlichste Lüge und
Verfälschung, als die schlimmste aller Mächte überhaupt. Denn während ohne sie
die Mächte der Welt und der Hölle in ihrer ganzen Gottwidrigkeit durchschaut
werden, wird durch die Religion das Furchtbare möglich, daß auch noch das
Verwerflichste und Verderblichste sich als Geheiligtes aufschmückt, daß „das
Böse sich in das Gottesgewand kleidet. Das Böse erhält seine ganze Macht erst,
wenn es die Sanktion der Religion erhält.“ Dadurch, daß dieser unheimliche
Vorgang der religiösen Verfälschung der Wahrheit, der Sanktionierung selbst des
Unheilvollsten durch die Religion hier an den verschiedensten Erscheinungen in
immer neuer Form aufgewiesen wird, tritt in voller Macht und Klarheit hervor,
was auf dem Spiele steht, welche ungeheuerliche Entstellung und Verfratzung der
Wahrheit hier bekämpft wird. Wir heutigen Menschen vollends können an den
gigantischen, mit der vollen Absolutheit religiösen Anspruchs auftretenden
Machtgebilden unserer Welt unmittelbar die ganze Furchtbarkeit solcher
religiöser Ersatzbilder der Reiches ablesen. Wir können damit aber auch wie
kaum je eine Zeit begreifen, was das Versäumthaben der Verwirklichung des
Reiches bedeutet, und daran die ungeheure Notwendigkeit und Rechtzeitigkeit
diese Wahrheitskampfes im heutigen Augenblick ermessen.
Der in diesem Kampf vor uns
ausgebreitete Reichtum an Denken und Wissen ist unerschöpflich. Kein Problem,
das uns heutige Menschen wahrhaft angeht, wird umgangen. Die gesamte
geschichtliche Entwicklung des Abendlandes, die reale wie die geistige, vor
allem die großen religiösen Bewegungen, die sozialen und politischen Probleme,
die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft wie die Höhepunkte der antiken
und modernen Philosophie, aber auch die Formen und Wirklichkeiten des
persönlichen Lebens: Liebe, Ehe, die engeren Formen der Gemeinschaft, alle
werden sie in den Blickpunkt des Reiches gerückt und dadurch in ihrem echten
Sinn enthüllt. Das „Trachtet am ersten nach dem Reichen Gottes und seiner
Gerechtigkeit!“ brennt im Herzen dieser Lehre als die große flammende Fackel,
die den ganzen Kosmos der Natur und des Geistes erhellt.
Wunderbar ist diese
Durchleuchtung alles Lebens von der lebendigen Wahrheit her. Es gibt kein Lebensgebiet,
das nicht von ihr aus entscheidendes Licht empfinge. Das Gericht, das sich
daraus ergibt, daß alles am Maßstab der letzten Wahrheit gemessen wird, ist
absolut. Und doch werden alle Erscheinungen der Geschichte auch gerade wieder
mit letztem Ernst abwägend erfaßt und daraufhin geprüft, ob eine Spur echten
Lebens durch die Verfälschung hindurch in ihnen sich bewahrt hat. Und immer
wieder wird diese liebvoll gesuchte Spur gefunden; auch noch im Irrtum wird so
die verhüllte Wahrheit erkannt und ans Licht gezogen. Dies sorgfältige Abwägen
des Wahren entspringt aus derselben Quelle wie die Unbedingtheit des Urteils:
aus der lebendigen Wahrheit. Man wird an das Wort Spinozas erinnert, daß die
Wahrheit Zeichen ihrer selbst und des Falschen ist. Ganz von selbst, aus ihrer
eigenen Kraft, aus der Kraft ihrer Gegenwart, kommt die Wahrheit über alles
Leben. Von selbst rücken im Lichte der Wahrheit alle Dinge an ihren Ort im
Ganzen, zeigt sich so das Wahre und das Falsche an allen Erscheinungen.
Und da diese Durchleuchtung von
der Wahrheit her an geschichtlichen Gegenständen und Erscheinungen geschieht,
zeigt sich an ihr zugleich, wie durch alle Bewegungen und Gegenbewegungen,
durch alle Ansätze und Widerstände hindurch das Reich selbst in der Geschichte
sich unaufhaltsam seine Bahn schafft. Denn „das Reich kommt im Kampf mit dem
Gegenreich“. Damit sind aber auch alle geschichtlichen Katastrophen in sein
Kommen einbezogen, werden sie selbst als Vorzeichen und Hinweis auf das Kommen
des Reiches gedeutet. Im Lichte dieser Gewißheit vermögen wir auch noch das
heutige Geschehen – und um seiner Ausmaße willen gerade das heutige Geschehen –
als mächtigen Auftakt und Vorspiel des Reiches zu erkennen. „Es ist
Adventszeit“, das ist die tröstliche Gewißheit, von der dies ganze Buch
durchstrahlt ist. Mit ihr geht auch uns in die tiefste Dunkelheit verstoßenen
Menschen der Glanz des Sternes auf, der in der finstersten Nacht die Hirten zu
dem geleitete, in dem das Reich erschien.
Aber diese wunderbar tröstliche
Gewißheit steht nicht nur als Stern ruhig weisend über uns; sie ist nicht
bloßer Anblick; sie wird uns nicht einfach geschenkt; sie verlangt uns. Die unermeßliche Verheißung ist zugleich eine
unermeßliche Forderung. Von beiden: von der Verheißung wie von der Forderung,
ist das Buch übervoll – blendend voll als von dem großen Licht, das aus der
Höhe des Reiches auf uns herabfließt, stürmisch voll als von dem großen Sturm,
der uns aus dem Kommen des Reiches entgegenbraust. Denn beide: Licht und Sturm
bedeuten unsere Freiheit: das gnadenvolle und schwere göttliche Geschenk der
Freiheit, die eins ist mit unserer menschlichen Verantwortung. Und wohl weiß
der Meister: „Die Freiheit ist immer gefährlich.“ Er weiß von den Abgründen,
die neben dem Höhenweg der Freiheit klaffen, von den Dämonen, die den
Schreitenden hinabziehen. Aber wie sollte das den schrecken, dem das Reich
Gottes selbst die vollendete Freiheit, dem damit die Freiheit mit ihrer Gefahr
und sogar als Gefahr nicht nur die sicherste, sondern auch die beseligendste menschliche
Gewißheit ist?
Aber eben durch die Kraft und
Tiefe seiner in der Arbeit eines Lebens erworbenen und befestigten Gewißheit
ist, bei aller uns entgegenkommenden Schönheit seiner Sprache und der mit der
Gesprächsform selbst gegebenen Unmittelbarkeit seines Ausdrucks, dies von
schenkender Güte überströmende, jedem willigen Herzen weit geöffnete Buch in
dem, was es an Tiefstem enthält, keineswegs leicht zugänglich. Es handelt von
ungeheuren Dingen, gibt Erschließungen, vor denen der Atem stockt. Es ist –
auch noch von allen wissenschaftlichen Einzelerschließungen abgesehen – im Gern
ein schweres Buch. Es ist dies durch den doppelten Anspruch, den es an unseren
Geist, und weit mehr noch durch den, den es an unser ganzes Sein stellt.
Geistig bedürfen wir, um das Reich wahrhaft vor den inneren Blick zu bringen,
„einer Umdrehung des Denkens um hundertachtzig Grad“; größer, schwerer noch,
wahrhaft paradox aber ist die Anforderung, die es an unser Sein mit dem Aufruf
zur Verwirklichung seiner Botschaft stellt. Denn es ist der Aufruf zum Leben, zum schrankenlosen reinen Leben
in unserer tief vom Tod gezeichneten Welt.
Das Reich ist Leben; es ist
Überwindung des Todes, Sieg über allen Tod. Das Reich verwirft den Tod und das
Tote in jeder Gestalt, speit es von sich aus. Es ist reines Leben und will
reines Leben. Es ist Unendlichkeit und will Unendlichkeit. „Das Reich ist ohne
Grenzen.“ Damit ist auch sein Anspruch an uns ohne Grenzen. Und wahrlich:
dieser Anspruch: die Forderung der Überwindung des Todes und des Toten in jeder
Gestalt, der unablässig strömenden Verlebendigung alles Lebens, die an uns
sterbliche Menschen ergeht, ist die schwerste, die unbedingteste aller
Forderungen, die je an den Menschen ergangen sind. „Das Reich wartet“ – auch
das ist nicht nur ein überschwenglich tröstliches, es ist auch ein unerbittlich
forderndes Wort. Denn das Reich wartet auf uns.
Wir müssen uns aufmachen; wir müssen kommen. Wir müssen den Weg gehen, wenn uns
die Knie brechen, wir müssen wach bleiben, wenn uns die Lider sinken. Wir
müssen dem Leben glauben, wenn alles um uns stirbt, wenn wir selbst sterben.
Die Nacht am Ölberg steigt herauf; immer rauscht sie um uns; der Augenblick,
den es gilt, seine Sterbestunde hindurch mit Gott zu wachen, ist im Lichte des
Reiches jeder Augenblick unseres Lebens. Weit Schwereres als in der furchtbaren
griechischen Tragödie, in der die erzürnte Göttin dem Jüngling, der ihr den
Gruß verweigert, den Fels entgegensendet, der ihn zermalmt, ist unter dem
lebendigen Gott dem Menschen auferlegt. Er soll den Zerstörungswillen der
Mächte nicht annehmen, er soll noch den Felsen, den ihm das Schicksal
entgegenschleudert, lebendig überstehen, er soll ihn als Tod verneinen, ihn
sterbend lebend übersteigen, ihn wie der erste christliche Märtyrer die Steine,
die ihn trafen, für nichts achten im Blick in das offenstehende Reich. Denn das
ist doch der Sinn der herrlich-gewaltigen Worte über das Ertragen des Wirkens
der kosmischen Mächte, die in der unerlösten Welt noch unser Schicksal sind:
das Ertragen von Krankheit, Tod und Leid, durch das wir die Welt zum Reich
reifen sollen: „Wir müssen wohl vorläufig noch sterben, aber wir sollen dem Tod
anders entgegengehen als die, die das Reich nicht kennen. Gerade unser Erdulden
dessen, was noch nicht erlöst ist, kann ein starkes, ja sogar das stärkste
Mittel sein, den Tag der Erlösung zu fördern.“
Damit steht der Mensch, dem das
Reich verkündigt worden ist, der die Botschaft vernommen hat, anders im Leben
als der, dem sie verschlossen ist. Er steht im Übermaß. Das Reich, das die
Verheißung der endlichen Erlösung alles Lebens, auch des Einzellebens, vom Tod
ist, und das ihm selbst zu verwirklichen aufgegeben ist, ist mit dem Maßstab
des sterblichen Menschen nicht zu messen.
Aber dies Buch, das vom Übermaß
kündet, schenkt auch das Maß. Wir werden nicht auf eine zukünftige, uns
unerreichbare Wirklichkeit des Reiches allein vertröstet; es ist kein bloßes
Jenseits; es kommt nur aus dem
Jenseits; es ist nicht von dieser
Welt, aber es ist für diese Welt. Und
es ist, obwohl einmal erschienen, nicht ein vollendetes; es ist immer auch noch
ein kommendes. Und – das ist der allertiefste Trost des Buches – wir sind nicht
nur auf sein Kommen hingewiesen, wir leben
in seinem Kommen. Es ist mitten unter uns. Wir können es erfahren. „Es können
Zeichen des Reiches erscheinen, auch wenn das ganze Reich noch nicht erschienen
ist. Es gibt wunderbare Siege über Krankheit und Tod, auch wo die Krankheit und
der Tod noch nicht besiegt sind.“ Aber wir werden nicht nur auf solche
Erfahrungen in unserem eigenen Leben hingewiesen, wir werden auch am Kommen des
Reiches in der Geschichte entlang geführt. Es wird uns an denen gezeigt, die am
tiefsten in das Dunkel der Wirklichkeit hineingegangen sind, am
vorbehaltlosesten sich der Welt zu ihrer Erlösung hingeschenkt haben. –
Die Forderung, die das Buch
stellt: „Wir müssen ... das Auge offen haben für den lebendigen Gott und seine
immer neue Offenbarung“ ist in ihm selber in wunderbarer Weise erfüllt. Und so
kommt schließlich aus dem Kampf Gottes und des Menschen gegen die kosmischen
Mächte: Sünde, Krankheit, Schicksal, Tod, nicht nur die tätige menschliche, es
kommt auch noch eine stillere, fernere Erlösung auf uns zu. Die kosmische
Erlösung ergreift auch das uns entrücktere Reich der Natur. Auch sie soll im Reich erlöst, zu einer neuen
Schöpfungsunschuld geführt werden. Der Weg geht von Schöpfung zu Schöpfung, von
der Schöpfung des Ursprungs zu einer neuen Schöpfung Gottes: dem neuen Himmel
und der neuen Erde des Propheten. Mit wie anderem Auge sehen wir so die Welt!
Wenn die Natur, die wir kennen, Nachklang des Paradieses, Vorahnung einer neuen
Schöpfung ist, begreifen wir dann nicht plötzlich das unbegreifliche Wunder und
Geheimnis, daß sie, die unerlöste, grausame, so tief in den Fall verstrickte,
uns dennoch immer wieder so schön erscheint? Auch hierin trennt uns die
Botschaft vom Reiche nicht von der Erde, macht sie uns vielmehr die Erde in
einem neuen und tieferen Sinn zur Heimat.
Das Buch ist über allem unserem
Dank. Es entläßt uns mit der Bitte: „Dein Reich komme!“ Daß wir lernten, diese
Bitte so, wie es dort gefordert ist, recht zu sprechen, mit unserem ganzen Sein
zu sprechen, kann unser einziger wirklicher Dank an den sein, der sie uns in
diesem Buche neu vorgelegt und mit dem Reichtum seines schöpferischen Geistes
und mit dem tiefen Ernst seines großen, leidenschaftlichen Lebens ausgelegt
hat. Denn dann hätten wir die Botschaft nicht nur begriffen, sondern ergriffen;
dann kämen wir ihm entgegen; dann reifte das Reich.