Und will das
Licht sich dem Trübsten entwinden,
So wird es
glühend Not entzünden.
(Goethe.)
Ein
eigentümliches Leben hebt heute in unserem Lande an. In dem Augenblick, wo alle
Sterne über ihm erloschen scheinen, wo seine Wirklichkeit grauer und
verwüsteter als je uns entgegenstarrt, beginnt es über ihm, am Himmel seines
Geistes seltsam zu blitzen und zu zucken wie von neuen unbekannten Gestirnen.
Fremde Wolkenbilder und Lichtgestalten ballen sich über seinem Haupt: Gestalten
reiner Innerlichkeit entfliegen, fremde Erscheinungen allem, was ins Leben des
Tages eingreift, und doch letzthin bestimmt und beflügelt, wiederum zu ihm
niederzusteigen. Man fragt sich angesichts dieser vielfältigen und doch im
wesentlichen tief verwandten Gebilde, ob es nicht dennoch zu allen Zeiten
Deutschlands Verhängnis und Bestimmung sein wird, immer wieder in seine
Innerlichkeit zurückgeworfen zu werden, ob nicht sein allerletztes Schicksal
trotz aller Bedrohungen und Vernichtungsgefahren, ja wegen ihrer sich allein in
seiner Innerlichkeit entscheiden kann. Gewiß aber ist, daß es eine andere
Innerlichkeit wird sein müssen, als die bisher einem ihr so völlig
wesensfremden, wesenslosen Außen neben sich Platz ließ; seine abstrakte
weltfremde, wie die aus dem deutschen Idealismus geborene, die sich den kargen,
inhaltlich abgegrenzten Einzelaufgaben des Tages entzog, ihren eigenen
Lebenskreis nicht zu durchdringen begehrte, um auf ein überinhaltliches, im
Unendlichen liegendes Ziel hinzuleben – es wird eine Innerlichkeit sein müssen,
die sich ihrer selbst wie des Außen im gleichen Maße bewußt ist, die das Innen
nur als Antrieb und Maßstab, daß Außen begreift. Und schon scheint in den
farbig glühenden Gebilden, die sich aus unferner tief verdüsterten Atmosphäre
loszuwinden beginnen, die Stunde einer erschütternden Einkehr angebrochen.
Das Gemeinsame
in ihnen allen ist das Sich-Aufbäumen gegen jede Art von Philosophie im Sinne
des reinen Denkens: die Überzeugung, daß keine noch so klar entwickelte Logik
oder aus logischen Voraussetzungen entwickelte Ethik uns mehr die endgültige
Erschließung vermitteln kann, nach der wir uns heute sehnen, daß auf die Nöte,
Verzweiflungen, Zusammenbrüche und Wandlungen, die wir durchlebt haben, keine
philosophischen Erkenntnis mehr antworten kann. In allen diesen wie immer
geformten Äußerungen eines sich wandelnden Geistes lebt und brennt die
Überzeugung, daß heute andere, lebendigere Gewißheiten not tun. An Stelle der
Philosophie tritt die an den ganzen Menschen gerichtete Lehre, an Stelle des
abstrakten Topus Mensch tritt mit seinen Forderungen und Verpflichtungen der
ganze konkrete, einmalige Mensch.
Wohl gab es
bereits lange vor dem Kriege den Dichter, der das Prinzip Gestalt und Lehre
verkündet und dargebildet und dann dieß Heiligtum durch die geistig-seelische
Verwilderung des Krieges hindurchgerettet hat. Doch steht Stefan George
außerhalb dieser Betrachtungen, weil er von ganz anderen Grundlagen ausgehend
auch zu ganz anderen Resultaten und Zielen gelangt. Hier handelt es sich nur um
die von Denken, von der Wissenschaft ausgehenden und sich aus einer jähen
Erschütterung und Umkehr ihm entgegenwendenden Geister.
Wenn man das
letzte so tief bedeutsame Buch von Georg Simmel, dem eigentlichen Denker der
vergangenen Epoche, „Lebensanschauung“ sich vergegenwärtigt, so wird einem der
Abgrund, der die Denkweise jener Zeit von unsrer heutigen trennt, unmittelbar
klar. Dies Buch ist wie kein anderes eine klassische Mischung von Relativismus
und Idealismus, den beiden Denkrichtungen, die bei Kriegsausbruch in
Deutschland auf der Höhe ihrer Entwicklung angelangt waren. Indem Simmel aus
dem Fluß des an jedem Punkte individuellen Lebens selbst eine nur von Fall zu
Fall zu bestimmende, nur im Lebensablauf des Individuums sich erzeugende und
entscheidende und dennoch nicht gesetzlose, sondern eben den Gesetzen des
Lebens folgende Moral zu gewinnen sucht, in der jeder vergangene Inhalt jeden
zukünftigen streng bestimmt, langt er mit diesem gigantischen Versuch, den
moralischen Formalismus Kants zu überwinden, dennoch notwendig wieder bei einer
rein formalen, inhaltlich völlig maßstablosen, wenn auch nun bis zur letzten
Tiefe und Einsamkeit der Selbstverantwortung der individuellen Seele
hinabgeführten Moral an. Und bei aller tiefen Leidenschaft für die Idee, von
der dies Buch getragen ist, bleibt dennoch wie die Moral alles Ideenhafte
überhaupt hier letzten Endes dem Leben verhaftet, nicht umgekehrt das Leben der
Idee. Nirgends offenbart sich ein Glaube, der eine dieser Ideen aus dem Leben
herausrisse. Nirgends wird das Leben gesehen als ein bloßer Weg zu diesem
Einen; nirgends werden überhaupt Wege gewiesen. Denn nichts wird seiner
Realitätsbedeutung nach gefaßt; alles Ideenhafte, das je die Menschheit aus sich
emportrieb, wird nur betrachtet, um die Struktur der in ihm ideell
zusammengefaßten Wesenselemente durchsichtig zu machen, das Wesen des Lebens
und der Seele zu klären.
Diese
Betrachtungsweise ist uns verloren. Hier hat der Weltkrieg den Abgrund
aufgerissen, an dem sich die Lebensfragen scheiden. Unsere letzte Frage ist
nicht mehr die nach dem Wesen der metaphysischen Faktoren, die unsere Ideen uns
Überzeugungen konstituieren, nicht einmal nach dem der Seele. Brennend,
angstvoll, drängend erhebt sich davor und dahinter die Frage: was sollen wir
tun? Eine Zeit, der ein derart radikales Auseinanderfallen alles Menschlichen
geschehen ist, wie der unseren, verlangt nach schlechthin gemeinsamen Inhalten,
nach festen, überzeugenden Maßstäben, nach der Bindung durch eine gemeinsame
Wahrheit. Eine um ihr Heil betrogene Welt verlangt nach sichtbaren, gehbaren
Wegen zum Heil. Um Erlösung geht hier alles. Nicht gegen die Philosophie als
Fachwissenschaft, als erkenntnistheoretische und kritische Methode, wendet sich
dieser neue Wille – sondern nur gegen die Philosophie als Vermittlerin
endgültiger Wahrheit, als Erstellerin des heißgesuchten Lebensbildes und
Vorbildes für die Seele. Hier wird das Versagen des Idealismus wegen seiner
Überinhaltlichkeit wie das den Relativismus wegen seiner Auflösung alles
Inhaltlichen gleich gewaltsam empfunden.
Bereits vor dem
Kriege regte sich innerhalb der Philosophie selbst, hervorgerufen durch die
beängstigende Relativierung aller Werke im Lebensbegriff, an vielen Orten die
Tendenz, die Philosophie nicht mehr als letzte Instanz für die Erfassung der
Wahrheit anzuerkennen. So bei Scheler,
dem durch die Wesensschau der Dinge hindurch wieder eine bindende, göttliche,
geoffenbarte Gewißheit und Gemeinschaft sichtbar wurde, wie sie in der katholischen
Kirche als historisches Gebilde vorlag. In diametral entgegengesetzter Hinsicht
bezeichnet das Keyserlingsche
Reisetagebuch eine Art, der Philosophie als einer ihrer selbst gewissen
Erschließung den Rücken zu wenden. Man mag mit seinem Motto: „Der kürzeste Weg
zu sich selbst führt um die Welt herum“ noch so wenig übereinstimmen – es zeigt
doch eine bewußte Abkehrt von aller in
sich ruhenden Philosophie, und zwar in doppelter Hinsicht: es zeigt auf der
einen Seite den Willen, an Stelle eines Systems oder einer Anschaung [sic] sich
selbst, den Menschen in seiner Ganzheit zu gewinnen, und auf der anderen Seite
an Stelle einer abstrakten Denkmethode den Weg über die reichste, lebendigste
Aneignung des Fremden, Konkreten, Tatsächlichen. Doch ist weder bei Scheler,
der zu einer gegebenen historischen Gemeinschaft gelangt, noch bei Keyserling,
der einen ganz persönlichen Weg und eine ganz persönliche Lösung versucht und
anerkennt, Verzweiflung und Untergangsstimmung die Grundlage des Suchens und
Findens.
Anders bei den
ersten aus dem Kriege stammenden Büchern, die den Auszug aus der Philosophie
antreten: in ihnen kommt mit voller Deutlichkeit das unerträgliche, große
gemeinsame Dunkel zum Ausbruch, das ihre, unsere Welt ist. Will man bereits als
das erste dieser Bücher Spenglers „Untergang des Abendlandes“ betrachten, das
freilich noch ganz im Negativen des Auszugs stecken bleibt, noch keinerlei
positives Ziel enthüllt, so kann man vielleicht sagen, das es seinen
beispiellosen Erfolg, seine große Wirkung selbst auf ihm an Klarheit und Tiefe
weit überlegene Geister zum großen Teil der Gestaltungskraft dankt, mit der die
Atmosphäre, deren Ausdruck es ist, darin zur Darstellung gelangt ist. Einen
entscheidenden Schritt weiter geht Ernst Blochs
„Geist der Utopie“, der aus dem ungeheuerlichen Pessimismus, der Mitternacht
des vollendeten Atheismus heraus mit nach innen und nach aufwärts reißender
Hand ins Innere der Welt, in die menschliche Seele weist, in ihr, dem ewigen
„Wir“, die einzige gemeinsame Wahrheit und Kraft zur Erlösungstat enthüllend.
Hier gilt es mit aller Kraft der menschlichen Stimme, mit der dunklen
leidvollen Gewalt der Sehnsucht, mit der beschwörenden [Tat] innerster Einkehr
Gott zu rufen, das Bindende, Verewigende. Eine über unsere zerspaltene, der
Vernichtung preisgegebene, von Gott verlassene Welt hereinzurufen. Zu
verwandtem Ziel eines zur Selbstvergöttlichung weisenden Atheismus gelangt auf
völlig anderem Weg Leopold Ziegler.
Am Wandel der Gottgestalt durch die Zeiten und Völker weist er uns zuletzt den
Stand des göttlichen Gestirns über unserer Welt. Es ist in undurchdringliches
Dunkel gehüllt; Gott liegt im Grabe, das wir selbst ihm gegraben haben; wir
dürfen nicht wagen, den Stein des Grabes verrücken zu wollen, den Leichnam zu
schänden. Wir selbst nur, kein Gott außerhalb unserer selbst durch die Kraft
einer allumfassenden, auch dem Geringsten und Ärmsten sich nicht versagenden
Liebe.
Ein viertes
hochbedeutendes, aber nun ganz allein und unmittelbar auf die Erlösung
gerichtetes Buch „Der Stern der Erlösung“ von Franz Rosenzweig (Verlag J. Kaufmann, Frankfurt a. M.) hat bereits den
Scheitelpunkt des Atheismus überschritten. Hier ist ganz gewiß keiner von
denen, die Ziegler als Vordringliche und Leichenschänder des toten Gottes
brandmarkt, und dennoch ist hier mehr ein Gottschauer als ein Gottsucher am
Werk. Gott kann ihm gar nicht sterben; denn er bleibt hier völlig außerhalb der
zeitlichen Entwicklung, er ist, der er sein wird: der Ewige. Zeit und Stunde
sind des Menschen. Aber die Erlösungstat ist eben darum streng an sie gebunden;
nicht weniger unbedingt als dort, wo auch Gottes Leben und Sterben in die
Geschichte einbezogen ist, ist hier der geschichtliche Augenblick der Erlösung
unverrückbar festgelegt. Denn nichts von der Verpflichtung der
Weltvergöttlichung und Selbstvergöttlichung wird hier der Seele erlassen; aber
diese Seele weiß sich gerade in dieser ihrer göttlichen Aufgabe und um
ihretwillen nicht von Gott verlassen, sondern von ihm geliebt. Nichts am All
wäre erfaßbar, erschaubar ohne diese Gewißheit von Gott, Welt und Mensch. Von vornherein wird jede
Erkenntnis und Wissenschaft abgelehnt, die zur Leugnung der Wirklichkeit dieser
drei Urworte führt: denn sie sind Wirklichkeit vor allem Wissen. So unternimmt
es dies Buch, aus einer tiefen Wesensschau der drei Urelemente und ihrer
Bewegung auf einander zu, die als Schöpfung, Offenbarung und Erlösung sich
enthüllt, die ganze Wirklichkeit neu und selbstmächtig aufzubauen. Wie eine
große Weltsymphonie hebt sich in strenger Dreigestalt das All aus dem Dunkel
des Nichts über Gott, Welt und Mensch, über Schöpfung und Offenbarung auf zur
selbstleuchtenden Gestalt der Erlösung. Und es ist die letzte Tiefe dieses
Buches: daß der lebendig wirkende Mensch, dessen Tat sonst stets alle
Gottgeschaffenheit sprengte oder zu sprengen drohte, sich hier frei in das
Schöpfungs- und Offenbarungswerk als der Vollender und Vollstrecker der
Erlösung einfügt. Weiter noch als die anderen führt auch diese Buch aus der
Philosophie heraus, das fast schon zu hell, zu strahlend aus unserer dunkeln
Wirklichkeit tritt und sich ihr dennoch wieder voll und tief zuwendet, indem es
in der lebendigen Bereitschaft der Seele, der schlichten Liebe zum jeweils und
allzeit Nächsten die erlösende Tat zur Herbeiführung des ewig gegenwärtigen
Gottesreiches erkennt.
Was alle diese
glühenden Bücher verschiedenster Orientierung und auch noch andere Zeugnisse
des neuen Geistes wie vor allem die bedeutsamen aufrufenden Schriften von
Rudolf Pannwitz verbindet, das ist
die Gewißheit, daß nicht nur das reine Denken, sondern auch noch eine andere
wesentliche Ausgestaltung des deutschen Geistes versagt hat: die Organisation,
die „Ismen“ also in beiderlei Gestalt. Wie eine neue Form des Erschließens
geistiger Gewißheit, so wird auch eine neue Form des Gemeinschaftslebens
gesucht. Der Überzeugung, daß keine aus rein gedanklichen Prinzipien
entwickelte, überinhaltliche Ethik uns mehr die wesentliche Erschließung geben
kann, tritt die andere zur Seite, daß die wahrhaftige Gemeinschaft sich aufbauen
kann allein aus dem reinen lebendigen Wissen Einzelner. Anstelle des reinen
Denkens und Forschens zur Erlangung letzter Gewißheit tritt überall der Wille
zur Wirklichkeit, anstelle der starren Organisationen und Parteien tritt in
Geist und Leben der Wille zur einmaligen, bezeugenden und fortzeugenden
Gestalt. Aller Gehaltwerdung aber strömen die letzte Quellen aus dem, was nicht
mehr berechenbar, nicht mehr erkennbar ist.
Die äußerste
Konsequenz aus dieser allen den so ungleichen Erkenntnissen und Bekenntnissen
gemeinsamen Einsicht zieht Eugen Rosenstock
in dem erschütternden Wort: „Das Heil kommt immer daher, woher es niemand
erwartet, aus dem Verworfenen,aus dem Unmöglichen.“ Das ist die Trostgewißheit
aller dieser von der Philosophie, von jeglicher Erschließung bloßer Vernunft
sich abkehrenden, vom Glauben und der Verwirklichung und letzter Bereitschaft
zugewandten Menschen.
Man muß an die
Frau aus dem chinesischen Märchen denken, die ihren Mann, dem von einem Drachen
das Herz aus der Brust gerissen wurde, nur dadurch wieder ins Leben zurückrufen
kann, daß sie sich bis zur äußersten Schmach erniedrigt, ihren furchtbaren Ekel
überwindet und das, was ein irrsinniger Bettler auf dem Marktplatz gegen sie
ausgespuckt hat, hinunterschluckt. Es würgt sie im Halse, aber wie sie sich
dann heimgekehrt in Strömen von Tränen über den Toten neigt, da ist das
Grausige, Verworfene in ihr zum Herzen des Geliebten geworden, das aus ihrem
schluchzenden Mund in seine aufgerissene Brust zurücksinkt und langsam darin
wieder zu pochen beginnt.
Es ist die
Stimmung dieses Märchens, aus der das Heilssuchen unserer Welt erwächst. Auch
ihr ist das Herz aus der Brust gerissen, und nur die völlig unberechnende und
unberechenbare Tat verzweifelter, persönlicher Liebe, äußerlicher Hingabe an
das Geringste und Niederste bis zur Überwindung des Ekels vor dem Ausgestoßenen
und Verworfenen kann es in ihre leere Brust zurückzwingen. Das ist noch etwas
anderes als Sozialismus, zum mindesten als alles, zu dem er geworden ist. Alle
gemeinsame Arbeit scheint an dieser durchdringlich entseelten Welt zu versagen;
sie ist allein angewiesen auf die einmalige, persönliche, beseelende Tat der
Liebe.
Liebe: das
bedeutet hier völlige Absage an alles Machthafte im Seelischen wie im
Geistigen; es bedeutet für die Seele ihre letzte Selbstentfaltung in tätiger
Opferbereitschaft und entsühnender Hingebung; es bedeutet für den Geist den
schwersten Verzicht: das Opfer des einst so geliebten Fernsten zugunsten
[rastloser?] Arbeit am Nächsten. Auch der Geist soll ja nicht mehr Macht sein;
auch er hat heute das Recht verwirkt, frei zu schweifen, zu erkennen, zu
blühen; auch er soll in tätiger Entsagung und Selbstbescheidung die zerstörten
Lebensgrundlagen anerkennen und sich auswirken in stiller entschlossener Arbeit
für das, was heute not tut.
Darum ist es
kein Zufall, daß unter den der Zukunft zugewandten Menschen weite Kreise sind,
die sich zu einem von innen her erneuerten Schriftentum
bekennen. Und unter ihnen wieder ist es eine ganze, obwohl von keiner
Organisation zusammengehaltene Gemeinschaft, in der heute der Glaube lebendig
ist, der eigentlich mehr ein Wille ist, daß gerade Deutschland als das Land,
dessen äußerstes Dasein heute restlos zerbrochen ist, als erstes berufen sei,
den Weg zu einem innerlichen, beseelten christlichen Leben zu finden, weil eben
in dem Zerbrochensein der „heidnischen“, der nationalen Machtwelt die
unerläßliche Vorbedingung zum Werden einer unter dem Zeichen des Kreuzes, d. h.
der Umkehr stehenden Welt liege.
Ob nun aber der
Weg zur Neugestaltung unter dem Zeichen des Kreuzes oder dem heidnischen der
Selbstvergottung oder aber dem des messianischen Traumes von der
weltaufhebenden Erlösung stehe: überall, wie die Bahn des reinen Denkens, der
abstrakten Erkenntnis verlassen wird, finden wir heute dieselben Kräfte des
Aufbaus am Werk. Über den furchtbaren Umweg über das Außen sind wir in den
Spitzen unseres Volkes wieder beim Innen angelangt: bei einer Innerlichkeit
aber, die Einkehr und Umkehr ist. Denn nun ist sie entschlossen, nie wieder das
Außen zu verlassen und preiszugeben, sondern sich ihm in schmerzlicher Liebe
erkennend und tätig zu seiner Verwandlung hinzuschenken.